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Die Gruppe "Queen" mußte
einen Fernsehauftritt kurzfristig absagen, und irgend jemand bei EMI kam
auf die Idee die Pistols einspringen zu lassen. Keine gute Idee, obwohl
naheliegend: Sie kamen aus London, waren schnell erreichbar und ihre Single
konnte etwas Promotion gebrauchen. Man schickte einen Wagen vorbei. Die
Pistols probten gerade für ihre Anarchy-Tour , Siouxsie und ein paar
Bromley-Leute hingen bei ihnen herum und kamen mit ins Studio. Es war
noch Zeit bis zur Sendung und in dem Gästeraum trafen sie auf den
Moderator Bill Grundy mit dem sie die Alkoholvorräte leerten. Bill
begann Siouxsie anzubaggern und machte in seiner Show "Today" unverhohlen
weiter. Steve regte sich darüber auf und Bill Grundy forderte ihn
heraus: "Komm, sag' doch etwas Unanständiges." Und Steve legte los:
"You dirty bastard... You dirty fucker... What a fuckin' rotter." Es reichte.
Zur besten Fernsehzeit, direkt nach den Nachrichten. Am nächsten
Morgen hatten die Pistols die Schlagzeilen der Tagespresse für sich
- aber mit Folgen... 13 der 19 Tourdaten wurden abgesagt, in vielen Läden
der Verkauf ihrer Platte gestoppt und einige Radiosender spielten ihre
Single nicht mehr. Die Presse hatte sich auf die Pistols eingeschossen,
aus jeder Beiläufigkeit wurde ein neues Skandal konstruiert. Anfang
des Jahres '77 kündigte EMI, wegen der unhaltbaren Vorkommnisse,
den Vertrag auf.
"Ich fand die (Grundy-Geschichte) widerlich, denn wenn man vier oder fünf Burschen von der Straße hereinholt... Ihnen ein Gefühl der Wichtigkeit gibt, sie mit Bier abfüllt, sie dann ins Fernsehn bringt und sagt:" Sagt etwas Unflätiges", werden sie etwas uNflätiges sagen. Ich vermute sogar, dass ich - als solider 38-jähriger Angehöriger der Mittelklasse - das gleiche tun würde, wenn sie mich so behandeln würden. Es ist also lupenreine Heuchelei, wenn genau diese Leute jetzt entsetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich lauthals erreifern:"Das ist eine Unverschämtheit." (John Peel: The Sex Pistols - The Inside Story)
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Malcolm trieb ein neues
Label auf und am 9.März unterzeichneten die Pistols einen Vertrag
bei A&M. Sie lieferten ihre erste Single "God Save The Queen" für
die neue Plattenfirma ab. Die
Sex Pistols erschienen völlig
betrunken und ausfallend zu einer Promotionsitzung, und
die Plattenbosse von A&M bekamen so eine Vorstellung davon mit wem sie zusammenarbeiten
sollten. Angeblich beschwerten sich einige "renommierte Künstler",
die bei A&M unter Vertrag standen, über die Verpflichtung, vielleicht
bekam das Managment von A&M auch nur kalte Füße, auf jeden
Fall annullierten sie den Vertrag mit den Sex Pistols kurzfristig, und
die Single "God Save The Queen" kam nicht zur Auslieferung. Nach
einem Gratiskonzert der Pistols mit den Slits im Roxy am 10. April kam
es zum Kontakt mit Virgin, die ein starkes Interesse an ihnen zeigten.
Anfang Mai wurde der Vertag unterzeichnet. 2 Wochen vor dem offiziellen
25-jährigen Krönungsjubiläum erschien die Platte und wurde
innerhalb weniger Tage 150.000 mal verkauft.
Für den 7.Juni (das Wochenende des Jubiläums) mietete Malcolm
McLaren eines der Touristenboote, die die Themse rauf- und runtertuckern,
"Queen Elizabeth" an. Er lud die angesagtesten Leute der neuen Szene ein,
darunter natürlich auch einige Musikkritiker. Um 18.30 legte das Boot
ab, gegen 22.00 Uhr traten die Pistols auf. Doch schon nach wenigen Songs
- man passierte gerade das Parlament - tauchten zwei Polizeiboote auf und
zwangen das Schiff anzulegen. Als die Polizei an Bord kam, kam es zu Tumulten
und 11 Personen wurden festgenommen. Die Pistols hatten wieder einmal die
Schlagzeilen der Presse, und ihre Single "God Save The Queen" stürmte
den 1.Platz der Hitparade. Die Stimmung in der Bevölkerung gegen Punks
wurde nun erst richtig angeheizt. Es kam zu tätlichen Angriffen gegen
Mitglieder der Gruppe.
Als John mit
dem Text von "God Save The Queen" kam, gab es wieder einmal eine Auseinandersetzung
mit Glen Matlock, dem Bassisten der Pistols. Er weigerte sich den Song zu
spielen, dies tat er schon bei "Anarchy in the U.K.". John und Glen konnten
sich nicht aus, und John stellte ein Ultimatum: Entweder ich oder er. Da
Malcom McLaren Glen auch los werden wollte, war das Ergebnis klar.
Steve Jones: John sagte, laß uns diesen Sid holen. Sid sah zwar
gut aus, konnte aber nicht spielen, und ich dachte: O nein! Das wird uns
noch ganz schöne Kopfschmerzen machen. Sid und John waren ähnliche
Typen - "Schlaumeier-Kunststudenten". Als er das erste Mal auftauchte, dachte
ich: Jetzt geht die ganze Scheiße noch mal von vorne los. Ich hätte
John allein aushalten können, aber jetzt gab es zwei davon.(aus: No
Irish, No Blacks, No Dogs)
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Malcolm McLaren & Vivien Westwood
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Sid
war ein alter Kumpel von Johnny, eine Szene-, eine Straßengröße,
später eine Punk-Ikone, aber kein begabter Musiker. Zu Beginn - im
Februar '77, als er bei den Sex Pistols einstieg - versuchte er noch eifrig
Bass zu lernen, doch dann begegnete er Nancy Spungen...
Nancy kam im Troß der New Yorker Band "The Heartbreakers" und mit
ihnen kam das Heroin in die Londoner Punkszene. Sid verfiel zuerst Nancy
und dann der Droge. Es gab später mehrere Versuche des Management und
der Gruppe (insbesondere von John) Nancy loszuwerden, denn nur so konnte
man Sid vielleicht noch helfen. Doch Nancy tauchte immer wieder auf, und
Sid begab sich immer mehr in ihre Abhängigkeit - und somit auch
in die Drogenabhängigkeit.
Die Pistols nahmen ihre erste LP "Never Mind The Bollocks Here's The Sex
Pistols" auf. Die meisten Stücke waren schon länger Bestandteil
ihres Repertoires. Sid erkrankte an einer Hepatitis, und Glen ersetzte ihn
bei den Aufnahmen. Die zwei Stücke auf denen Sid Bass spielte
wurden von Steve Jones überarbeitet, um Sids "popligen Bass-Part" zu
übertünchen.
Ende Oktober, nach einer Skandinavien-Tour und einigen Undercover-Auftritten
in England - als Sex Pistols bekamen sie in England keine Auftrittsmöglichkeiten
mehr - erschien ihre erste LP. Wegen des Titels und der Covergestaltung
kam es zu einigem Wirbel bzw. Irritationen. Die LP erreichte Platz 1 der
Charts. |
Malcolm
McLaren sah die Sex Pistols immer als seine Kreation, als sein Kunstgebilde
an. Dies stimmte bis zu einem gewissen Grade, aber spätestens nach
dem Eintritt von John in die Band, übte McLaren musikalisch so gut
wie keinen Einfluß mehr auf sie aus. McLaren sah sich selbst als kreativer
Visionär, weniger als Manager. Solang sich dies nicht negativ auf seine
eigentlichen Aufgaben auswirkte, konnte es der Gruppe egal sein. Ende des
Jahres kam Malcolm auf die Idee einen Pistol-Film "Who
killed Bambi" zu
drehen, als Regisseur engagierte er Russ Meyer (bekannt durch seine dicke-Titten-Manie).
Vielleicht wollte McLaren mit der Verpflichtung von Meyer wieder einmal
provozieren, aber anscheinend war ihm nicht bewußt, daß Meyer
ganz andere Akzente in den Film setzen würde.
Das Projekt kam mehrmals zum Stocken und wurde in der Form nie beendet.
John war so sauer über die Verpflichtung Russ Meyers, daß er nur
widerwillig mitmachte und später ganz ausstieg.
Im Januar '78 stand eine Promotiontour in den USA an. Sids Drogenprobleme
waren nicht mehr zu vertuschen. Zwar durfte Nancy nicht mit und Johnny versuchte
ihn nochmals zu beeinflussen, aber spätestens in Dallas, als Sid mit
dem Slogan "Gimme a fix" auf seinen Körper eingeritzt auftrat, wurde
jedem klar, daß er ein Drogenwrack war. John ging die Tour auf den
Geist. Er hatte sich mit allen überworfen. Steve und Paul hielten sich
raus, und reisten mit McLaren per Flugzeug von Tournee-Ort zu Tournee-Ort,
während der Rest der Crew im Tourbus folgte. Malcolm McLaren war nur
noch mit seinen neuen Ideen beschäftigt und bemerkte anscheinend nicht,
daß vor seinen Augen die Sex Pistols auseinanderfielen.
In San Francisco, Winterland kam es zum letzten Konzert der Sex Pistols,
und Johnny Rotten beendete die Vorstellung mit der Frage: "Ever get the
feeling, you've been cheated?" Malcom plante nach der Tour eine Aufnahme
der Pistols mit Ronald Briggs (Ex-Posträuber) in Rio de Janeiro. Er
unterrichtete John nicht davon, da sie seit Wochen kein Wort mehr miteinander
redeten. John reiste verärgert ab, und gab am nächsten Tag in
New York das Ende der Gruppe bekannt. |
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Was dann folgte,
war nur noch Scheiße. Natürlich konnte John nicht einseitig die
Gruppe auflösen und McLaren erklärte Sid zum Frontmann und Sänger
der Gruppe. McLarens Hauptinteresse galt aber zu dieser Zeit der Fertigstellung
seines Pistols-Filmes. Julien Temple führte nun Regie, einige wenige
Sequenzen von Russ Meyer wurden übernommen, das Script wurde mehrmals
geändert und der Film hieß jetzt "The Great Rock'n'Roll-Swindle".
McLaren steckte eine Menge Geld in das Projekt, auch die Gelder aus dem
Virginvertrag mit den Sex Pistols.
Im Juni'78 erschien die erste Single nach Johns Ausstieg: "The Biggest
Blow (A Punk Prayer By Ronald Biggs)" mit der B-Seite "My Way"
gesungen von Sid. Die Single erreichte Platz sechs der Charts, und bestärkte
McLaren in seiner Auffassung, daß alleine der Skandal, die Provokation
und die damit verbundene Presseaufmerksamkeit den Erfolg ausmacht. Schon
in dem vergangenen Jahr '77 hatte diese Einstellung dafür gesorgt,
daß die Pistols zwar Dauerthema der Presse waren, aber fast keine
Auftrittsmöglichkeiten mehr erhielten, somit nur wenige Konzerte bestritten
und ihr Repertoire nicht erweiterten. Inzwischen probten die verbliebenen
Pistols nicht mehr, Paul Cook und Steve Jones polierten alte Pistols-Songs
auf, während Sid mit seiner Geliebten Nancy zwischen New York und London
pendelte und immer weiter im Drogensumpf abglitt. Im Oktober des gleichen
Jahres fand man Nancy ermordet im Chelsea Hotel in NY auf. Sid geriet unter
dringendem Tatverdacht. Am 2.Februar 1979 starb Sid in New York an einer
Überdosis Heroin.
McLaren verbot John mit einer gerichtlichen Verfügung sich weiterhin
Johnny Rotten zu nennen, und John verklagte McLaren auf die Auszahlung des
Gewinns aus den Pistolprodukten.
und Paul schlossen sich im Laufe des Prozesses der Klage Johns an. Jetzt
mußte auch Malcolm McLaren bitter eingestehen, daß die Sex Pistols
nicht mehr existierten.
Durch den ganzen Medienhype blieb vielen die Pistols nur als eine Skandaltruppe
in Erinnerung und leider nicht als die Band, die dem Rock'n'Roll die
Straße wiedergab. |
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